Schmerzempfindlichkeit: Schwann-Zellen im Visier
Schwann-Zellen bilden normalerweise eine isolierende Schicht um Nervenfasern herum. Doch bestimmte Arten von Schwann-Zellen sind offenbar stärker als bislang gedacht an der Wahrnehmung mechanischer Reize beteiligt. Zu diesem Ergebnis kam ein internationales Team um Julia Ojeda-Alonso vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin. Die Ergebnisse der Studie sind Anfang Februar 2024 im Fachblatt »Nature Communications« erschienen.
Um diese speziellen Zellen zu untersuchen, die nur wenige Mikrometer unter der Oberhaut eine Art Netz bilden, nutzten die Wissenschaftler optogenetische Methoden. Mit dieser Technologie lassen sich Vorgänge in ausgewählten Zellen über Lichtreize gezielt an- und ausschalten. So testete das Team die Funktion der Schwann-Zellen an lebenden Mäusen. Zunächst lernten die Tiere, dass sie über einen Schlauch Wasser bekommen konnten, sobald es unter ihren Pfoten vibrierte. Bei der Hälfte der Mäuse wurden die Schwann-Zellen in den Pfoten nun per Lichtreiz deaktiviert. Während der Rest der Nager bei jeder feinen Vibration freudig zu trinken begann, spürte die Gruppe mit den ausgeschalteten Schwann-Zellen diese offenbar nicht mehr und reagierte erst auf ein heftigeres Rütteln. Außerdem zeigte sich bei direkten Tests an Zellen aus dem Hautgewebe der Mäuse, dass Schmerzrezeptoren ohne die Hilfe von Schwann-Zellen Reize nur etwa halb so stark übertragen.
Manche schmerzt ein bloßer Windhauch
Schwann-Zellen sind demnach wichtig für die Übermittlung mechanischer Reize und bestimmen mit, wie stark ein Reiz sein muss, damit er ins Bewusstsein dringt. Diesen Mechanismus besser zu verstehen, hat einen praktischen Nutzen: Bei Menschen mit chronischen Schmerzen und Empfindungsstörungen ist die Schwelle, ab der ein Reiz als schmerzhaft erlebt wird, gesenkt. Es kommt zu einer dauerhaften Überreaktion. Krankhaft schmerzempfindlichen Menschen tun schon harmlose Reize weh – etwa eine leichte Berührung oder sogar ein Windhauch auf der Haut.
Wie genau Schwann-Zellen die Berührungsempfindlichkeit mitregulieren und ob sie es beim Menschen genauso tun wie bei Mäusen, ist noch unklar. Die Autoren der Studie hoffen, dass Schwann-Zellen einen Ansatzpunkt für neue Therapien gegen chronische Schmerzen bilden könnten. Bis das Wissen aus der Grundlagenforschung so weit ist, dass es bei Patientinnen und Patienten ankommen könnte, wird es jedoch noch einige Jahrzehnte dauern.
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